Archive for June, 2011

Die Karolinger in Halle

Als Karl der Große sein Reich vergrößerte und die „barbarischen“ Sachsen mit Krieg überzog, weil sie seit Jahrzehnten seine Reichsgrenzen mit Raub und Plünderung überzogen, eroberte er auch den thüringischen Raum bis hin zur sogenannten Sorbischen Mark. Diese stellte eine Grenzzone zwischen dem Fränkischen Reich und den östlich davon siedelnden Sorben dar. Die Damen und Herren Wissenschaftler streiten sich noch heute um die genaue Lage der Limes Sorabicus; manche lokalisieren sie westlich der Saale.

Ich fürchte, hier irren die Forscher. Das fränkische Gebiet muss sich aus meiner Sicht bis hin zur Saale – und möglicherweise darüber hinaus nach Osten – ausgedehnt haben. Wie sonst wohl wäre zu erklären, dass Magdeburg und Halle zu militärischen Hauptstützpunkten erwählt wurden?

Und welchen Grund hätten wohl sonst die Franken für den Bau des Kastells „in orientalem partem Sala, ad locum, qui vocatur Halla“ – auf der östlichen Seite der Saale, bei einem Ort, der Halle genannt wird – gehabt?

 

Karl der Große macht sein Testament

 

Für den 06. Februar 806 beraumte Karl der Große eine Reichsversammlung in Diedenhofen (heute Thionville in Frankreich) an, bei der seine Söhne und die Großen des Reiches zugegen waren. Das dabei entstandene Dokument Divisio Regnorum, sein Reichsteilungsgesetz, erläutert den Zweck der Zusammenkunft: Karl der Große regelt seine Nachfolge. Somit darf das Reichsteilungsgesetz durchaus als Testament verstanden werden. Hierin teilt er das Fränkische Reich unter seinen Söhnen Pippin von Italien, Karl dem Jüngeren und Ludwig dem Frommen auf.

Karl dem Jüngeren fallen der fränkische Kernraum zwischen Loire und Rhein sowie die Neuerwerbungen zwischen Elbe und Donau zu.

Dieser macht auch gleich Nägel mit Köpfen und trägt den Slawenkönigen noch während seiner Kämpfe gegen die Sorben auf, zwei feste Kastelle zu bauen. Eines im Norden der Elbe, Magdeburg gegenüber, den anderen aber auf der Ostseite der Saale bei Halle. In den Reichsannalen (Annales regni Francorum) sieht das folgendermaßen aus:

„Theodonis palatio per Mosellam et Rhenum secunda aqua Noviomagum navigavit ibique sanctum quadragesimale ieiunium et sacratissimam paschae festivitatem celebravit. Et inde post non multos dies Aquasgrani veniens Karlum filium suum in terram Sclavorum, qui dicuntur Sorabi, qui sedent super Albim fluvium, cum exercitu misit; in qua expeditione Miliduoch Sclavorum dux interfectus est, duoque castella ab exercitu aedificata, unum super ripam fluminis Salae, alterum iuxta fluvium Albim. Sclavisque pacatis Karlus cum exercitu regressus in loco, qui dicitur Silli, super ripam Mosae fluminis ad imperatorem venit.” [1]

 

Und in der Chronik von Moissac (Chronicon Moissiacense) steht verzeichnet:

„Anno 806. Karolus imperator celebravit pascha ad Neumaga, et misit filium suum Karolum regem super Duringa ad locum qui vocatur Walada, ibique habuit conventum magnum. Et inde misit scaras suas ultra Albiam; ipse vero movit exercitum suum ultra Sala super Hwerenaveldo. Et tunc fuit interfectus Melito, rex superbus, qui regnabat in Siurbis; et postea remeavit Albia; et vastavit regions illas, et civitates eorum destruxit. Et ceteri reges ipsorum venerut ad eum, et promiserunt se servituri domno et pio imperatori, tradideruntque obsides, sicut ille volebat. Et mandavit eis rex Karolus aedificare civitates duas, unam ad aquilonem partem Albiae contra Magadaburg, alteram vero in orientalem partem Sala, ad locum qui vocatur Halla; deinde reversus est ad patrem suum in Francia. His diebus Albinus [qui et Alchuinus] diaconus in Francia claruit.” [2]

 

Diesem Auftrag verdanken wir die erste verbriefte Erwähnung der Stadt Halle für das Jahr 806 und damit mittlerweile mehr als 1.200 Jahre Stadtgeschichte. 🙂

 

Wo war das Kastell?

 

Über die genaue Lage des Kastells streiten sich die Wissenschaftler, noch dazu, weil bisherige Ausgrabungen keinerlei Anhaltspunkte lieferten. Man vermutet das Bauwerk auf den Anhöhen der Marktkirche, auf dem Martinsberg, in Giebichenstein oder auf dem Domplatzgelände.

Aus mehreren Gründen halte ich seine Lage auf dem heutigen Domplatzgelände für plausibel und stimme darin mit dem halleschen Heimatforscher Siegmar von Schultze-Galléra überein.

  1. Das Kastell sollte als zweiter – neben Magdeburg – Brückenkopf an der fränkischen Elbe-Saale-Linie dienen. Es musste also an einer strategisch günstigen Stelle errichtet werden.
  2. In den Chroniken ist für die Lage des Kastells ausdrücklich „Halla“ vermerkt, nicht „Gibikensten“. Gleichwohl existierte der Ort mit dem Götternamen und seinem Solquell bereits.
  3. Die alte Burg Giebichenstein (auf dem oberen Amtsgarten) weist keine Spuren für eine fränkische Nutzung auf, schon gar nicht für das Jahr 806. Hingegen finden sich Beweise für eine Nutzung in der Hermundurenzeit um den Beginn unserer Zeitrechnung bis ins 2. oder 3. Jahrhundert.
  4. Die Verteidigung der Heer- und Handelsstraßen wäre von Giebichenstein aus unmöglich gewesen. „Von Giebichenstein aus führt keine alte Straße nach Osten ins Land, es liegt abseits, ganz isoliert sogar von der Magdeburger Heer- und Handelsstraße (nach Norden).“ [3] – Auch andere alte Handelswege und für die Franken wichtige Heerstraßen führen nicht an Giebichenstein vorbei, sondern kreuzen sich im Siedlungskern Halles.
  5. Ein Standort des Kastells bei der Marktkirche oder auf dem Martinsberg hätte strategisch keinerlei Sinn gemacht und den hervorragenden Feldherrenqualitäten König Karls des Jüngeren widersprochen. In beiden Fällen wäre eine Sicherung des Übergangs über die Saale nicht realisierbar gewesen und das Kastell selbst ohne Schutz der umgebenden Landschaft.

 

Siegmar von Schultze-Galléra schreibt hierzu in den Hallischen Nachrichten Nr. 71 vom 25.03.1931:

„…Das Kastell hatte drei Aufgaben zu erfüllen: den Übergang über die Saale zu schützen, die Einfallspforte nach dem Osten zu bewachen und den Salzquell, das Hall, zu schirmen; es kann nur auf dem Gelände des Doms und der Residenz gelegen haben, das damals viel günstiger zur Kastellanlage war, lag doch die vorbeiführende Straße (spätere Klausstraße) fast auf dem Niveau des Saalespiegels. Fluss, Bruchland (Schlamm) und Talsenken schirmten das Kastell auf allen Seiten.“ [4]

Leider wissen wir nichts über die Gestalt des Kastells. Wir können nur vermuten, dass diese Holz-Erde-Befestigung wie allgemein üblich Mannschafts-, Wirtschafts- und Lagerräume sowie einen Wachturm umschloss.

Könnte das karolingische Kastell in Halle so oder ähnlich ausgesehen haben?

Könnte das karolingische Kastell in Halle so oder ähnlich ausgesehen haben?

 

Ich stelle mir dieses Kastell nicht als Burg im eigentlichen Sinne vor, sondern eher als nach römischem Vorbild errichtetes Militärlager. Um das Kastell herum bildete sich eine Siedlung, in der sich vermutlich das Begleitpersonal der Franken mit Werkstätten, Händlern und Wirtschaften niederließ. Vielleicht waren hier sogar die Familien der Soldaten untergebracht.

Sind die Franken irgendwann wieder abgezogen oder haben sie ihren Lebensmittelpunkt Halle behalten?

Etwa 100 Jahre, nachdem Karl der Jüngere den Auftrag zum Bau des karolingischen Kastells gab, wurde Halle im Jahre 908 von den Ungarn in einem ihrer zahlreichen Feldzüge zerstört. Möglicherweise fiel hierbei auch das Kastell dem Raubzug zum Opfer.

 

Quellen:
[1] – Annales Regni Francorum; www.thelatinlibrary.com
[2] – Chronicon Moissiacense; www.dmgh.de
[3] – Siegmar von Schultze-Galléra, Hallische Nachrichten Nr. 71 vom 25.03.1931
[4] – ebenda

Bildquelle: Projekthomepage der Grundschulen Langelsheim und Astfeld

Leute kommen – Leute gehen

Das Gebiet der heutigen Stadt Halle und seine Umgebung ist wohl schon seit Jahrtausenden ein bevorzugtes Siedlungsgebiet gewesen, lange vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung. Dies belegen urgeschichtliche Funde.

Auf dem Galgenberg im Norden Halles sind Spuren alt- und mittelsteinzeitlicher Jäger erkennbar.

Jungsteinzeitliche Bauern der Donaukultur besiedelten nachhaltig die Plätze um das heutige Landesmuseum, Trotha und Ammendorf. Sie drangen über Böhmen in dieses Gebiet ein und wurden nach den Bandverzierungen auf ihren Tongefäßen Bandkeramiker genannt.

Auch Schnurkeramiker hinterließen Spuren ihrer Siedlungen in den Brandbergen und der Dölauer Heide. Hier wurden 35 große Grabhügel geborgen.

Großsteingrab aus der Steinzeit; Bildquelle: © Marco Barnebeck / PIXELIO

Großsteingrab aus der Steinzeit; Bildquelle: © Marco Barnebeck / PIXELIO

 

Diese recht starke Besiedlung zog sich bis in die ältere Bronzezeit (um 1.800 v.Chr.). Nach 1.500 v.Chr. nimmt die vorgeschichtliche Besiedlung des Gebietes ab.

Erst in der jüngeren Bronzezeit um 1.200 v.Chr. werden die Höhen des Giebichenstein wieder als Siedlungsraum genutzt. Nun wurde auch mit der Salzgewinnung im Tal (Wittekind) begonnen.
Der Salzhandel verlieh dem Gebiet weitreichende Bedeutung.
Hier entwickelte sich das bunte Erscheinungsbild, das heute als „Hallesche Kultur“ bezeichnet wird.

Die Kelten prägten den Namen der Stadt Halle (Stätte der Salzgewinnung) und des Flusses Saale (Salzfluss), wenn sich auch keine Spuren für eine keltische Siedlung belegen lassen.

Um 400 v.Chr., zum Ende der frühen Eisenzeit, verlor das Gebiet seine Bedeutung als Gewerbe- und Handelszentrum.

 

Nun dringen Germanen in das Siedlungsgebiet ein, die dem Giebichenstein – Fels des gebefreudigen Wotan – seinen Namen verleihen. Doch auch sie zogen weiter, von den Warnen im 3. Jahrhundert verdrängt.

Später wurde das Gebiet vom thüringischen Reich vereinnahmt, welches 531 Franken und Sachsen wieder zerschlugen.

Das kam den Slawen gerade recht, die nun den südlichen Teil der Salzstätte zu ihrem Handelszentrum erkoren. Sie begründeten eine Siedlung im Thal (ein Teil der heutigen Altstadt) und mindestens zwei der heute bekannten 4 Solebrunnen: den Gutjahrbrunnen (Dobrogara) und den Meteritzbrunnen.

Diesem Treiben setzte im Jahre 806 Karl der Große ein Ende. Zeitgleich vollendet sich der Zerfall der Urgesellschaft.

 

Bildquelle: © Marco Barnebeck / PIXELIO

 

 

Halle ist gestört

Wie ist Halle eigentlich zu seinem Salz gekommen?

Dies haben wir unserer Mutter Erde zu verdanken, die sich vor mehr als 65 Millionen Jahren auch in unseren Breiten noch recht heftig bewegte. Die Erdscholle, auf der sich später Halle entwickeln sollte, brach entzwei und der nordöstliche Bruch wurde mehrere hundert Meter über die südwestliche Bruchstelle erhoben. In Verbindung mit zahlreichen Erdbeben verschoben sich in den nächsten 30 Millionen Jahren die Bruchkanten und auf diese Weise wurden eigentlich viel tiefer liegende Gesteins- und Mineralschichten an die Oberfläche gedrängt.

Dieses recht lange währende Ereignis wird heute Halle-Verwerfung oder Hallesche Störung genannt.

Bildquelle: Geologisches Blockbild nach Herold 2001 (nach Wagenbreth / Steiner 1985)

Bildquelle: Geologisches Blockbild nach Herold 2001 (nach Wagenbreth / Steiner 1985)

 

Und die Verschiebungen führten dazu, dass die Soleschicht, die normalerweise mindestens 300 Meter tief im Boden liegt, auf etwa 30 bis 40 Meter Tiefe angehoben wurde. Das ermöglichte unseren Vorfahren die Förderung von Salz mithilfe von Brunnen.

Darüber hinaus bestimmt die Verwerfung deutlich die Siedlungsgeschichte Halles. Der Bruch beeinträchtigte den Lauf der Saale und ist somit Ursache für die günstige Flussüberquerung.

Auch auf das spätere Baugeschehen wirkt sich die Hallesche Störung aus, wie später zu berichten sein wird.

 

Bildquelle: Geologisches Blockbild nach Herold 2001 (nach Wagenbreth / Steiner 1985)