Archive for July, 2013

Der geprellte Teufel

Es war wohl vor etwa 860 Jahren,

 

als in Halle die neue Stadtmauer gebaut wurde.

Da begab es sich, dass die Stadt Kunde von anrückenden Truppen erhielt. Es ging die Angst um, dass Halle geplündert und gebrandschatzt werde.

Nun war guter Rat teuer, denn die Stadtmauer war noch nicht ganz fertig. Im Süden, am Rannischen Tor, fehlte ein Stück Mauer und Feinde würden leichtes Spiel haben, durch diese Bresche in die Stadt einzudringen.

Da bot der Teufel seine Hilfe an. Der ist ja immer unterwegs, um seinen Vorteil zu suchen. Er versprach den Hallensern, die Mauer aufzurichten und verlangte als Lohn für seine Arbeit zwei Kinder.

Die Ratsherren waren verzweifelt. Wer gibt denn schon freiwillig seine Kinder weg, noch dazu in die Hände des Teufels? Doch würde die Stadtmauer nicht schnell fertig werden, hätte die ganze Stadt möglicherweise unter der Bedrückung von Feinden zu leiden.

Der Rat der Stadt beriet sich lange mit den klügsten Köpfen. Der Franziskanermönch Bruder Anselmus aus dem Barfüßerkloster zu Halle wusste endlich Rat: „Geht ruhig auf die Forderungen des Teufels ein! Bekommen soll er jedoch nichts. Dafür werde ich sorgen. Sagt ihm nur, die Arbeit solle getan sein bis zum dritten Morgen. Beim ersten Hahnenschrei muss die Mauer fertig sein.“

Der Teufel akzeptierte die Bedingung und werkte an der Mauer Nacht für Nacht. In der dritten Nacht, kurz vor der Stunde des Morgengrauens, schaffte er die letzten Steine herbei und wollte sie in die Mauer einsetzen.

Da ertönte plötzlich einen Hahnenschrei! Viel zu früh für den Teufel, der im Schweiße seines Angesichts gearbeitet hatte. Doch die Tatsache blieb: er hatte den Vertrag nicht erfüllt. Mit wütendem Geschrei und Gezeter stob er in einer stinkenden Schwefelwolke davon. Die Kinder bekam er nicht.

Doch was war geschehen?

Bruder Anselmus hatte einen Hahn, der jedesmal krähte, wenn er unsanft aus dem Schlaf geschreckt wurde. Diesen Hahn nun hatte der findige Mönch vor der Zeit geweckt und der krähte prompt seinen Unmut in die Lande.

Am nächsten Tage setzten Steinmetze die letzten Steine in die Mauer ein und die Stadt war nun trefflich vor Feinden geschützt.

Die Stadt war gerettet und der Teufel einmal mehr betrogen worden.

 

Übrigens: Die heranrückenden Truppen zogen vorbei, denn sie hatten nicht die Absicht gehabt, der Stadt Halle ein Leid zu tun.

Die steinerne Jungfrau von Dölau

Wenn man heutzutage

aus dem halleschen Stadtteil Dölau nach Norden in Richtung Brachwitz geht, führt am Ortsausgang rechterhand der Jungfrauenweg direkt zu einem 5,5 Meter hohen Menhir aus Quarzit.

 

Steinerne Jungfrau

Steinerne Jungfrau
By Einsamer Schütze (Own work), CreativeCommons by-sa-3.0.de, via Wikimedia Commons

 

Dies soll einst eine hübsche Maid gewesen sein, die hier zu Stein erstarrte. Und das kam so:

 

Vor langer Zeit, als die Menschen noch keine Supermärkte kannten, lebte im Dorfe Dölau ein junges Mädchen, Annkathrin geheißen. Sie war die Tochter eines Bauern und half in der Wirtschaft mit.

Eines Tages erhielt sie von der Mutter den Auftrag, das Brot für die nächste Woche backen zu lassen. Dölau hatte dazumal noch kein eigenes Backhaus und so musste Annkathrin den schweren Brotteig in eine Kiepe packen und nach Lettin tragen. Einen halben Tag würde sie für das Unternehmen brauchen.

Das gefiel Annkathrin gar nicht, hatte sie sich doch auf den Abend mit ihrem Liebsten verabredet. Doch Widerworte wagte sie nicht. So machte sie sich schnell und mit ausgreifenden Schritten auf den beschwerlichen Weg nach Lettin. Während der Bäckergeselle den vorbereiteten Teig walkte, zu Brotlaiben formte und einen nach dem anderen in den Ofen schob, lag Annkathrin auf der Wiese, blinzelte in die Wolken, die rasch am Himmel vorüber zogen und träumte von dem stattlichen Burschen, der heute Abend auf der kleinen Lichtung warten würde.

Am späten Nachmittag waren die Brote fertig und just als Annkathrin den Heimweg antreten wollte, zog ein mächtiges Unwetter herauf. Der Himmel verdüsterte sich, die Bäume ächzten im Wind und große Regentropfen schlugen auf die Wege. Blitze zuckten und Donner grollte in der Ferne.

Bei diesem Wetter ließ man keinen Hund hinaus. Der Bäckergeselle bat das Mädchen inständig, doch das Wetter im warmen Backhaus abzuwarten und hoffte auf eine nette Plauderstunde mit Annkathrin. Doch sie dachte nur an ihr Stelldichein und wartete nicht einmal, bis die Brote etwas abgekühlt waren. Trotzig stemmte sie sich dem Wetter entgegen und trat den Heimweg an, schwer mit den duftenden Broten beladen.

Schnell verwandelten sich Weg und Feld zu schlammigem Morast und Annkathrin musste immer wieder großen Pfützen ausweichen. Vorwärts, vorwärts, der Liebste wartet!

Doch plötzlich ging es nicht weiter. Ein großer Tümpel hinderte das Fortkommen, wo heute Mittag noch ein breiter und trockener Weg am Feldrain entlang führte. Rundum war kein Pfad zu sehen, das Hindernis zu umgehen.

In ihrer Not griff Annkathrin in ihre Kiepe und holte zwei Brote heraus. Wohl wissend, einen Frevel zu begehen, warf sie die Brote vor sich ins Wasser und setzte vorsichtig einen Fuß darauf. Die Brote abwechselnd vor sich legend, hoffte sie, trockenen Fußes den Tümpel zu überqueren.

Doch noch bevor sie ihren Plan recht in die Tat umsetzen konnte, fuhr ein gleißender Blitz aus den Wolken und das Mädchen ward zu Stein.

Auf der Lichtung wartete ihr Schatz vergeblich.

Wer das täglich Brot mit Füßen tritt, verdient harte Strafe.